Uns Akademischen ReitkünstlerInnen (wir versuchen uns zumindest als solche) wird ja gerne nachgesagt, dass wir wir uns im Detailgefummel verlieren und darüber das "reelle" Reiten vergessen.
Nun, dem kann ich aus ganzen Herzen zustimmen. Ich oute mich hiermit als eine Reiterin und Ausbilderin, die es liebt, ihr Pferd im Stehen minutiös zu formen, und seine Bewegungsabläufe spitzfindig zu analysieren. Mehr noch, ich behaupte, dass wir erst durch eine solch subtile Sezierung die Möglichkeit erlangen, den anspruchsvollen Bedürfnissen des Bewegungstieres Pferd gerechter zu werden.
Bestätigung bekomme ich aus Disziplinen, die sich weniger mit dem Reiten als mit unterschiedlichen Aspekten der Pferdegesundheit befassen. So hat mir die Hippologische Nachmittagsstudie "Auf dem Weg zum gesunden Huf" mit Team-HUF im Januar 2015 bei mir auf dem Hollerhof noch einmal mehr die Augen dafür geöffnet, dass wir Pferde nur dann naturgemäss gymnastizieren können, wenn wir die Komplexität ihres Bewegungsapparates verstehen.
In diesem konkreten Fall die Auswirkung der Hufgesundheit auf die Gesundheit, Motorik und feinkoordinativen Fähigkeiten der Pferde.
Von den Referentinnen Christina Kuenen und Barbara Kelly erfuhren wir, dass Dr. Robert M. Bowker von der Michigan State University bahnbrechende Studien zum Thema Pferdehufe durchführt. Für mich
als Reiterin und Ausbilderin besonders interessant sind seine Ausführungen zum Huf als neurosensorisches Organ:
So enthält das Gewebe innerhalb des Hufs u.a. verschiedene Nervenfasern, Rezeptoren und Neurotransmitter. Diese geben Informationen über die Bodenbeschaffenheit an das zentrale Nervensystem weiter. Als Antwort auf das, was das neurosensorische Organ Huf wahrnimmt, passt das Pferd seine Hufung entsprechend an: Feinkoordinativ reagiert es mit einer entsprechenden Positionierung des Hufs und einer adequaten Intensität des Auffußens. Auch auf die Reihenfolge der Strukturen, die Bodenkontakt bekommen (Trachtenfußung / Zehenfußung / Anteil des Bodenkontakts von Sohle, Strahl und Tragrand) nimmt die Wahrnehmungsfähigkeit des Organs Huf Einfluss.
Besonders zwischen Strahl und Strahlkissen befinden sich viele dieser Propriozeptoren (siehe die bunten Punkte auf dem Foto oben).
Feinkoordination wird einem nicht in die Wiege gelegt. Feinkoordination muss geschult werden.
Von Kindesbeinen an bis ins hohe Alter.
Beim Fohlen beginnt das mit dem ersten Schritt, den es nach Verlassen des Mutterleibs macht. Sobald seine Hufe Bodenkontakt bekommen, beginnt das Nerven- und Herz-Kreislaufsystem damit, Impulse
zu ermitteln und zu verarbeiten. Der Bewegungsapparat übt sich darin, auf sinnvolle Weise auf die erhaltenen Impulse zu reagieren.
Spätestens an dieser Stelle klingeln mir Bent Branderups mahnende Worte vom "Gewächshaus-Pferd" in den Ohren. Wir müssen den Pferden in unserer Obhut ermöglichen, als Pferd aufzuwachsen und als Pferd zu leben. Pferde brauchen vom ersten Tag an Sozialkontakte, Bewegung und Stimuli unterschiedlichster Art.
Das beste Ausbildungssystem kann nicht ersetzen oder nachholen, was eine nicht artgerechte Aufzucht und Haltung versäumen. Dies gilt sowohl für die körperlichen wie für die seelischen
Bedürfnisse.
In Bezug auf die Entwicklung der Hufe ist konstante Bewegung das A und O.
Als optimal erweisen sich Untergründe, die ein Einsinken erlauben, aber dennoch fest und uneben sind.
Bewegungsanreize, hufgerechte Untergrundgestaltung und eine korrekte Hufbearbeitung lassen Problemhufe in kurzer Zeit gesunden. Zwischen den nachfolgenden Bildern liegt ein halbes Jahr. Wir sind
stolz auf die Entwicklung, und wissen, es geht noch besser.
An dieser Stelle möchte ich auch zu bedenken geben, dass Hufgesundheit nicht nur ein optischer Faktor ist. Mangelnde Hufgesundheit ist eine Quelle ständigen Schmerzes. Die "Füße tun weh", die
Statik ist nicht optimal, so dass es zu Verspannungen und Blockaden des gesamten Bewegungsapparates kommt.
Wenn ich als Akademische Reiterin meine Pferde optimal von Wirbelreihe zu Wirbelreihe durchformen können möchte, dann lohnt sich der Blick über den Tellerrand.
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Marion Klein (Freitag, 27 Februar 2015 12:58)
Das hast Du super toll geschrieben. Versteht sich von selbst, dass ich absolut Deiner Meinung bin. Schließlich gehört der eine Pferdehuf zu meiner Lena, die als Quarterhorse nicht gerade mit optimalen Hufen gesegnet ist.
Martina Kohn (Freitag, 27 Februar 2015 13:35)
einfach wieder mal auf den Punkt gebracht! Weiter so! Ich finde Deine Beiträge immer sehr bereichernd und bin ganz deiner Meinung!
Martina (Sonntag, 01 März 2015 19:54)
Das ist wirklich sehr gut auf den Punkt gebracht, leider bin ich etwas fauler was das selbst raspeln der Hufe meiner Ponies angeht und habe daher noch nicht das optimalste Ergebnis, aber das Kiesbett lieben meine Pferde sehr und sogar mein Muli entwickelt einen Strahl!! Danke für Deinen unermüdlichen Einsatz beim Suchen nach immer mehr Wissen rund um unsere Hottis :)
Rosio Walworth (Donnerstag, 02 Februar 2017 20:49)
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